Wertpapierhäuser
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Wie wurden Effektenhändler vor Inkrafttreten von FIDLEG&FINIG reguliert?
Effektenhändler wurden im Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) und in der entsprechenden Börsenverordnung (BEHV) reguliert. Sie benötigen für ihre Tätigkeit eine Bewilligung der FINMA und wurden durch diese beaufsichtigt. Das BEHG regelte die Voraussetzungen der Bewilligungserteilung, die entsprechenden Verhaltenspflichten und die sonstigen Anforderungen an Effektenhändler, wobei zum Teil auf die Bestimmungen des Bankgesetzes (BankG) verwiesen wurde.
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Weshalb heissen Effektenhändler im FIDLEG&FINIG neu Wertpapierhäuser?
Der Begriff «Effektenhändler» ist gemäss Botschaft zu FIDLEG und FINIG (S. 24) irreführend. Im FIDLEG&FINIG werden «Effektenhändler» daher neu als «Wertpapierhäuser» bezeichnet.
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Welches Gesetz wird die Bewilligungsanforderungen für Wertpapierhäuser regeln?
Das FINIG; auch unter diesem benötigen Wertpapierhäuser für ihre Tätigkeit eine Bewilligung der FINMA und werden direkt durch diese beaufsichtigt (Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Art. 61 Abs. 3 FINIG).
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Was geschah nach Inkrafttreten von FIDLEG&FINIG mit dem BEHG?
Da das BEHG bereits zu einem grossen Teil in das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) überführt wurde, wurde das BEHG nach Inkrafttreten des FIDLEG&FINIG vollständig aufgehoben.
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Welche wesentlichen Pflichten haben Wertpapierhäuser unter dem FIDLEG zu beachten?
Wertpapierhäuser haben gegenüber Kunden die Pflichten im Zusammenhang mit der Kundensegmentierung, die Verhaltensregeln und die organisatorischen Anforderungen gemäss FIDLEG zu erfüllen. Sodann trifft sie die Pflicht zur Herausgabe von Dokumenten und zum Anschluss an eine Ombudsstelle.
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Fallen alle Effektenhändler gemäss BEHG unter den Begriff des Wertpapierhauses gemäss FINIG?
Der Begriff «Wertpapierhaus» umfasst gemäss Art. 41 FINIG die bisherigen Kategorien des Kundenhändlers, des Eigenhändlers und des Market Maker (vgl. auch «Wer gilt als bewilligungspflichtiges Wertpapierhaus?»). Die bisherigen Effektenhändlerkategorien des Emissionshauses und des Derivathauses werden im FINIG zwar nicht als Wertpapierhäuser erfasst, doch setzen die entsprechenden Tätigkeiten weiterhin eine Bewilligung als Bank oder Wertpapierhaus voraus (Art. 12 FINIG).
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Wer gilt als bewilligungspflichtiges Wertpapierhaus?
Als Wertpapierhaus gilt gemäss Art. 41 FINIG, wer gewerbsmässig:
- in eigenem Namen für Rechnung der Kunden Effekten handelt («Kundenhändler» genannt);
- für eigene Rechnung kurzfristig mit Effekten handelt, hauptsächlich auf dem Finanzmarkt tätig ist und (i) dadurch die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts gefährden könnte oder (ii) als Mitglied eines Handelsplatzes tätig ist («Eigenhändler» genannt); oder
- für eigene Rechnung kurzfristig mit Effekten handelt und öffentlich dauernd oder auf Anfrage Kurse für einzelne Effekten stellt («Market Maker» genannt).
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Was ist unter «gewerbsmässiger Tätigkeit» zu verstehen?
Der Begriff der Gewerbsmässigkeit wird im FINIG in den allgemeinen Bestimmungen definiert als jede selbstständige, auf dauernden Erwerb ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 3 FINIG).
Für Wertpapierhäuser wird der Begriff in Art. 65 FINIV weiter konkretisiert. Insbesondere gilt das Handeln mit Effekten in eigenem Namen für Rechnung der Kunden erst dann als gewerbsmässig, wenn direkt oder indirekt für mehr als 20 Kunden Konten geführt oder Effekten aufbewahrt werden (Art. 65 Abs. 1 FINIV). Nicht als Kunden im Sinne dieser Bestimmung gelten jedoch in- und ausländische Banken und Wertpapierhäuser, andere staatlich beaufsichtigte Unternehmen, Aktionäre und Gesellschafter mit qualifizierter Beteiligung und mit ihnen wirtschaftlich oder familiär verbundene Personen sowie institutionelle Anleger mit professioneller Tresorerie (Art. 65 Abs. 2 FINIV).
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Wo sind die Bewilligungsvoraussetzungen für Wertpapierhäuser gemäss FINIG geregelt?
Die Bewilligungsvoraussetzungen für Wertpapierhäuser finden sich unter den allgemeinen Bestimmungen in Art. 7 ff. FINIG. Sodann führt der besondere Teil des FINIG in Art. 41 ff. FINIG spezielle Bewilligungsanforderungen an Wertpapierhäuser auf.
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Welche organisatorischen Anforderungen stellt das FINIG an das Oberleitungsorgan und die Geschäftsführung eines Wertpapierhauses?
Mitglieder des Oberleitungsorgans von Kundenhändlern und Market Makers dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder der Geschäftsführung sein. Es gilt hier eine strikte personelle Trennung (Art. 66 Abs. 3 FINIV). Keine solchen Anforderungen gelten für Eigenhändler. Ausserdem muss die Geschäftsführung aller Wertpapierhäuser aus mindestens zwei Personen bestehen, und alle Wertpapierhäuser müssen durch eine Person vertreten werden können, die Wohnsitz in der Schweiz hat und entweder Mitglied im Oberleitungsorgan oder in der Geschäftsführung ist (Art. 66 Abs. 1 FINIV).
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Welche weiteren grundlegenden Anforderungen stellt das FINIG an die betriebsinterne Organisation eines Wertpapierhauses?
Wertpapierhäuser müssen für eine betriebsinterne Funktionentrennung zwischen Handel, Vermögensverwaltung und Abwicklung sorgen. Wie bisher müssen Kundenhändler und Market Makers, welche nicht hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind, das Effektenhandelsgeschäft rechtlich verselbstständigen, um eine adäquate Überwachung durch die Aufsichtsbehörde zu ermöglichen (Art. 67 FINIV).
Wertpapierhäuser müssen die Grundzüge des Risikomanagements bestimmen und über ein angemessen ausgestattetes Risikomanagement und eine wirksame interne Kontrolle verfügen, die insbesondere die Compliance gewährleisten. Die Funktionen des Risikomanagements und der Compliance sind funktional und hierarchisch von den operativen Geschäftseinheiten zu trennen (Art. 68 Abs. 1–3 FINIV).
Kundenhändler und Market Makers richten zusätzlich eine von der Geschäftsleitung unabhängige interne Revision ein, welche über ausreichende Ressourcen sowie unbeschränkte Prüfrechte verfügt (Art. 68 Abs. 4 FINIV).
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Müssen Wertpapierhäuser ihre interne Organisation dokumentieren?
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Welche Rechtsform muss ein Wertpapierhaus gemäss FINIG aufweisen?
Ein Wertpapierhaus mit Sitz in der Schweiz muss die Rechtsform einer Handelsgesellschaft (d. h. einer AG, GmbH, Kollektiv-, Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditaktiengesellschaft) aufweisen (Art. 42 FINIG).
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Darf ein Wertpapierhaus gemäss FINIG Publikumseinlagen entgegennehmen?
Grundsätzlich ist die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen auch unter FINIG den Banken vorbehalten (Art. 1 Abs. 2 BankG), wobei dieser Grundsatz in jüngerer Zeit Einschränkungen erfahren hat (vgl. dazu «Entgegennahme von Publikumseinlagen / Fintech-Unternehmen»).
Bereits unter geltendem Recht durften Kundenhändler Publikumseinlagen entgegennehmen, welche einzig der Abwicklung von Kundengeschäften dienten, wenn dafür kein Zins bezahlt wurde (Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV). Neu ermächtigt Art. 44 Abs. 2 FINIG Kundenhändler explizit und unabhängig von der Verzinsung, im Rahmen ihrer Tätigkeit Publikumseinlagen entgegenzunehmen. Allfällige Renditen, welche damit am Kapitalmarkt erzielt werden, darf ein Kundenhändler somit neu mittels Zinsen an die Anleger weitergeben (Botschaft zu FIDLEG&FINIG, S. 128).
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Wie hoch müssen Mindestkapital und Eigenmittel eines Wertpapierhauses gemäss FINIG sein?
Das Mindestkapital eines Wertpapierhauses muss grundsätzlich wie bisher CHF 1.5 Mio. betragen und vollständig einbezahlt sein (Art. 45 FINIG). Die Verordnung regelt die Anforderungen im Detail (Art. 69 FINIV).
Wertpapierhäuser, welche im Rahmen ihrer Tätigkeit für Kunden selbst oder bei Dritten Abwicklungskonten führen, haben die Bestimmungen der Eigenmittelverordnung vom 1. Juni 2012 einzuhalten. Die übrigen Wertpapierhäuser haben dauernd Eigenmittel von mindestens einem Viertel der Fixkosten der letzten Jahresrechnung, maximal aber CHF 20 Mio. zu halten. Die Berechnung der Fixkosten wird in der Verordnung geregelt (Art. 70 FINIV).
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Welche Liquiditätsanforderungen stellt das FINIG an Wertpapierhäuser?
Wertpapierhäuser, welche im Rahmen ihrer Tätigkeit für Kunden selbst oder bei Dritten Abwicklungskonten führen, haben die Bestimmungen der Liquiditätsverordnung vom 30. November 2012 einzuhalten. Die übrigen Wertpapierhäuser müssen ihre Mittel so anlegen, dass jederzeit eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist (Art. 71 FINIV).
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Gelten für ausländisch beherrschte Wertpapierhäuser gemäss FINIG besondere Bestimmungen?
Für ausländisch beherrschte Wertpapierhäuser gelten sinngemäss die Vorschriften des BankG über ausländisch beherrschte Banken nach Art. 3bis – 3quater BankG (Art. 43 FINIG).
Der FINMA sind alle Tatsachen zu melden, die auf eine ausländische Beherrschung schliessen lassen. Ausländisch beherrschte Wertpapierhäuser benötigen insbesondere eine Zusatzbewilligung der FINMA. Diese ist zu erneuern, wenn Ausländer mit qualifizierten Beteiligungen wechseln.
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Wann gilt ein Wertpapierhaus als ausländisch beherrscht?
Ein Wertpapierhaus gilt als ausländisch beherrscht, wenn Ausländer mit qualifizierten Beteiligungen (mind. 10% des Kapitals oder der Stimmen; vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. cbis BankG) direkt oder indirekt mit mehr als der Hälfte der Stimmen am Wertpapierhaus beteiligt sind oder auf dieses in anderer Weise einen beherrschenden Einfluss ausüben (vgl. Art. 3bis Abs. 3 BankG).
Als Ausländer gelten (i) natürliche Personen, die weder das Schweizer Bürgerrecht noch eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz besitzen, und (ii) juristische Personen und Personengesellschaften, die ihren Sitz im Ausland haben oder, wenn sie ihren Sitz im Inland haben, von einem Ausländer gemäss (i) beherrscht sind (vgl. Art. 3bis Abs. 3 BankG).
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In welchen anderen Bereichen findet das Bankenrecht auf die Wertpapierhäuser Anwendung?
Wie unter der bisherigen Regulierung unter dem BEHG verweist das FINIG für Wertpapierhäuser vielerorts auf die Bestimmungen des Bankenrechts, welche sinngemäss auch auf Wertpapierhäuser anzuwenden sind, namentlich in Bezug auf:
- Wertpapierhäuser, welche ausländisch beherrscht sind (Art. 43 FINIG);
- zusätzliches Kapital zur Krisenverhinderung und -bewältigung (Art. 47 FINIG);
- Rechnungslegung, insbesondere mit Verweis auf die Bankenverordnung vom 30. April 2014 (Art. 48 FINIG);
- Gruppen- und Konglomeratsaufsicht (Art. 49 Abs. 3 FINIG), wobei die wertpapierhausdominierte Finanzgruppe und das wertpapierhausdominierte Finanzkonglomerat im FINIG definiert werden (Art. 49 Abs. 1 und 2 FINIG);
- Eigenmittel und Liquidität, wenn Wertpapierhäuser im Rahmen ihrer Tätigkeit für Kunden selbst oder bei Dritten Konten zur Abwicklung des Handels mit Effekten führen (vgl. «Wie hoch müssen Mindestkapital und Eigenmittel eines Wertpapierhauses gemäss FINIG sein?» und «Welche Liquiditätsanforderungen stellt das FINIG an Wertpapierhäuser?»); und
- insolvenzrechtliche Massnahmen (Art. 67 FINIG).
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Welches aufsichtsrechtliche Prüfregime sieht das FINIG für Wertpapierhäuser vor?
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Sieht das FINIG betreffend Aufzeichnungs- und Meldepflichten von Wertpapierhäusern Änderungen vor?
Nein, die entsprechenden Bestimmungen (Art. 50 und 51 FINIG) wurden aus dem BEHG übernommen. Für Wertpapierhäuser, die Teilnehmer eines Handelsplatzes sind, gelten sodann die entsprechenden Pflichten gemäss FinfraG unverändert weiter.
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Gewähren FIDLEG&FINIG Übergangsfristen?
Ja, sowohl das FIDLEG als auch das FINIG enthalten verschiedene Übergangsfristen (vgl. dazu «Übergangsfristen FIDLEG» und «Übergangsfristen FINIG».