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Prospektpflichten

Allgemeine Bemerkungen
  • Wie war die Prospektpflicht vor Inkrafttreten von FIDLEG&FINIG geregelt?

    Wenn Aktien oder Anleihensobligationen erstmals öffentlich zur Zeichnung angeboten wurden, musste bis anhin ein Prospekt mit einem bestimmten Mindestinhalt erstellt werden (Art. 652a OR und Art. 1156 OR).

    Prospektpflichten konnten sich sodann im Hinblick auf die Börsenkotierung von Effekten ergeben (bspw. Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange).

    Aufsichtsrechtliche Prospektpflichten wurden durch das KAG für Kollektivanlagen und für strukturierte Produkte statuiert. Das KAG verlangte unter Umständen auch die Veröffentlichung eines Dokuments, das die wesentlichen Angaben für die Anleger zum Produkt enthielt (sog. Key Investor Information Document bzw. KIID; Art. 76 KAG).

  • Warum wurde die Prospektpflicht neu im FIDLEG geregelt?

    Die Prospektpflichten gemäss OR waren rein privatrechtlicher Natur, wurden also nicht aufsichtsrechtlich durchgesetzt, und waren auf die Emission von Aktien und Anleihensobligationen beschränkt. Die Prospektpflichten der SIX Swiss Exchange (oder anderer Börsen) kamen nur bei einer Kotierung von Effekten zum Zuge. Eine aufsichtsrechtliche Prospektpflicht gab es bisher nur im KAG-Bereich (Kollektivanlagen und strukturierte Produkte). Mit der Regelung der Prospektpflicht im FIDLEG sollte einerseits die bis anhin fragmentarische Regelung vereinheitlicht und teilweise auch verschärft werden, um den Kundenschutz zu verbessern.

    Andererseits bestand die Absicht des Gesetzgebers darin, das Schweizer Prospektrecht an das geltende EU-Recht anzugleichen, damit nach der Schweizer Regulierung erstellte Prospekte gegebenenfalls auch in der EU verwendet werden können. Die EU-Prospektrichtlinie diente daher in vielen Bereichen auch als «Vorbild» für die Regulierung im FIDLEG.

  • Welche grundsätzlichen Änderungen bringt die Prospektpflicht im FIDLEG mit sich?

    Die neue Regelung im FIDLEG stellt in zweierlei Hinsicht einen Paradigmenwechsel dar. Einerseits ist durch die Vereinheitlichung neu grundsätzlich für alle Effekten ein Prospekt und ein Basisinformationsblatt (BIB) zu erstellen. Andererseits löst die neue Prospektpflicht gemäss FIDLEG die bestehenden Bestimmungen zur Prospektpflicht im Obligationenrecht vollumfänglich ab (vgl. «Wie war die Prospektpflicht vor Inkrafttreten von FIDLEG&FINIG geregelt?»), wodurch die Prospektpflicht neu dem Aufsichtsrecht zuzuordnen ist und auch entsprechend durchgesetzt werden kann. Ausser den Fondsprospekten, welche wie bis anhin der FINMA eingereicht werden (Art. 58 Abs. 3 FIDLEV), müssen unter FIDLEG sämtliche Prospekte vor der Veröffentlichung von einer Prüfstelle genehmigt werden (vgl. «Müssen sämtliche Prospekte vor der Veröffentlichung durch die Prüfstelle genehmigt werden?»).

  • Was geschah mit den Prospektpflichten unter dem KAG?

    Diese wurden vom KAG in das FIDLEG (Art. 48–50 FIDLEG) und in die FIDLEV (Art. 58 FIDLEV) verschoben. Im Anhang 6 zur FIDLEV wird der Mindestinhalt eines Prospekts für kollektive Kapitalanlagen zudem im Detail aufgeführt. Inhaltlich bleiben die bisherigen Regelungen im Wesentlichen bestehen.

  • Welche Anpassungen brachte das FIDLEG mit Bezug auf strukturierte Produkte?

    Die bisherige Regulierung von strukturierten Produkten in Art. 5 KAG wurde grundsätzlich ins FIDLEG überführt (vgl. Art. 70 FIDLEG), wobei der früher vorgesehene vereinfachte Prospekt im neuen Basisinformationsblatt (BIB) gemäss FIDLEG aufgeht. Die bisherige Dispens von der Prospektpflicht nach Art. 1156 OR (vgl. Art. 5 Abs. 4 KAG) wurde aufgehoben, und strukturierte Produkte werden neu der Prospektpflicht gemäss FIDLEG unterstellt.

Prospektpflicht
  • Wann besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gemäss FIDLEG?

    Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gemäss FIDLEG besteht (i) bei der Unterbreitung eines öffentlichen Angebots zum Erwerb von Effekten in der Schweiz, auch wenn es sich dabei um einen ausländischen Anbieter handelt, oder (ii) bei einem Gesuch um Zulassung von Effekten zum Handel auf einem Handelsplatz nach FinfraG (Art. 35 Abs. 1 FIDLEG).

    Es bestehen Ausnahmen nach der Art des Angebotes (vgl. Art. 36 FIDLEG), nach der Art der Effekten (vgl. Art. 37 FIDLEG) sowie spezifische Ausnahmen bei der Zulassung von Effekten zum Handel (vgl. Art. 38 FIDLEG). Die Prospektpflicht obliegt dem eigentlichen Anbieter, wobei der Anbieter nicht zwingend mit dem Emittenten identisch sein muss.

  • Besteht auch eine Prospektpflicht, wenn sich das Angebot nur an institutionelle und professionelle Kunden richtet?

    Grundsätzlich besteht keine Prospektpflicht, wenn sich das Angebot nur an institutionelle und professionelle Kunden richtet (Art. 36 Abs. 1 lit. a FIDLEG).

  • Was muss bei einem öffentlichen Angebot von Effekten gemäss FIDLEG beachtet werden, auch wenn keine Prospektpflicht besteht?

    Besteht bei einem öffentlichen Angebot von Effekten in der Schweiz keine Prospektpflicht, weil ein Ausnahmetatbestand gegeben ist, so haben Anbieter und Emittenten die Kunden gleich zu behandeln, indem sie allenfalls abgegebene Informationen (soweit wesentlich) allen Anlegern gleichermassen zugänglich machen (Art. 39 FIDLEG).

  • Was ist unter einem öffentlichen Angebot zum Erwerb von Effekten gemäss FIDLEG zu verstehen, welches die Prospektpflicht auslöst?

    Als öffentliches Angebot gilt jede Einladung an das Publikum, d. h. an einen unbegrenzten Personenkreis, zum Erwerb von Effekten, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die Effekte selbst enthält (Art. 3 lit. g und h FIDLEG i. V. m. Art. 3 Abs. 5 und 7 FIDLEV); dies gilt neu unabhängig davon, ob die Effekten auf dem Primär- oder Sekundärmarkt angeboten werden (vgl. Art. 35 Abs. 2 FIDLEG). In Art. 3 Abs. 6 FIDLEV findet sich sodann ein Negativkatalog, der zwecks Präzisierung gewisse Sachverhalte vom Begriff des Angebots ausnimmt.

    Als Effekten gelten vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, Wertrechte, Derivate und Bucheffekten (Art. 3 lit. b FIDLEG). Für den Kunden massgeschneiderte Finanzprodukte stellen somit keine Effekten dar.

  • Welche Anforderungen stellt das FIDLEG an den Prospekt selbst?

    Der Prospekt soll die Anleger in leicht verständlicher Form und so objektiv und aktuell wie möglich über die Effekten selbst, den Emittenten, den Garantie- und Sicherheitengeber sowie das Angebot informieren, sodass ein Anlageentscheid in voller Kenntnis der Sachlage und der Risiken möglich ist. Der Prospekt ist in einer Schweizer Amtssprache oder in Englisch zu verfassen (Art. 40 Abs. 2 FIDLEG).

    Das FIDLEG formuliert allgemeine Grundsätze zum Inhalt, zu den Bestandteilen und zur Aufteilung des Prospekts (Art. 40 ff. FIDLEG). Die Einzelheiten werden in der FIDLEV sowie in den entsprechenden Anhängen geregelt.

Prüfstellen
  • Werden die Prospekte gemäss FIDLEG geprüft und genehmigt?

    Die Prospekte werden, mit Ausnahme jener für Kollektivanlagen, von neu geschaffenen Prüfstellen genehmigt. Bei den Prüfstellen handelt es sich um private Stellen, welche über eine Zulassung der FINMA verfügen müssen (Art. 52 FIDLEG).

  • Müssen sämtliche Prospekte vor der Veröffentlichung durch die Prüfstelle genehmigt werden?

    Grundsätzlich müssen sämtliche Prospekte vor der Veröffentlichung durch eine Prüfstelle auf deren Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit hin geprüft werden, nicht hingegen auf deren materielle Richtigkeit (Art. 51 Abs. 1 FIDLEG i. V. m. Art. 52 Abs. 1 FIDLEG). Davon ausgenommen sind Prospekte kollektiver Kapitalanlagen, wobei Dokumentationen ausländischer kollektiver Kapitalanlagen, welche sich an nicht qualifizierte Anleger im Sinne des KAG richten, wie unter bisherigem Recht einer Genehmigungspflicht unterliegen (Art. 51 Abs. 3 FIDLEG i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Bst. 4 KAG und 120 KAG).

    Unter gewissen Voraussetzungen und wenn eine Bank oder ein Wertpapierhaus bestätigt, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die wichtigsten Informationen über den Emittenten und die Effekten vorliegen, kann die Genehmigung durch die Prüfstelle auch nach deren Veröffentlichung erfolgen (Art. 51 Abs. 2 FIDLEG). Die Einzelheiten werden in Art. 60 FIDLEV und in deren Anhang 7 geregelt.

    Prospekte sind nach ihrer Genehmigung durch die Prüfstelle während zwölf Monaten für öffentliche Angebote oder Zulassungen zum Handel auf einem Handelsplatz gültig und sind für diese Zeit bei der Prüfstelle zu hinterlegen (Art. 55 Abs. 1 FIDLEG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 FIDLEG).

  • Können auch ausländische Prospekte den Prüfstellen zur Genehmigung eingereicht werden?

    Ja. Eine Prüfstelle kann einen nach ausländischen Rechtsvorschriften erstellten Prospekt jedoch nur genehmigen, wenn (i) er nach internationalen Standards erstellt wurde, die durch internationale Organisationen von Wertpapieraufsichtsbehörden festgelegt werden, und (ii) die Informationspflichten mit den Anforderungen des FIDLEG gleichwertig sind (Art. 54 Abs. 1 FIDLEG).

    Eine Prüfstelle kann für Prospekte, die nach bestimmten Rechtsordnungen genehmigt wurden, vorsehen, dass sie auch in der Schweiz als genehmigt gelten (Art. 54 Abs. 2 FIDLEG).

Basisinformationsblätter (BIB)
  • Wann besteht eine Pflicht zur Erstellung eines Basisinformationsblatts (BIB) gemäss FIDLEG?

    Die Ersteller von Finanzinstrumenten müssen ein BIB produzieren, wenn ein Angebot an Privatkunden erfolgt (Art. 58 Abs. 1 FIDLEG).

    Als «Ersteller» gelten Personen, die ein Finanz­instrument erstellen oder Änderungen an einem bestehenden Finanzinstrument, einschliesslich Änderungen seines Risiko- und Renditeprofils oder der mit einer Anlage in das Finanzinstrument verbundenen Kosten, vornehmen (Art. 3 lit. i FIDLEG).

    Als «Finanzinstrumente» gelten Beteiligungspapiere (mit Effektenqualität), Forderungspapiere (mit Effektenqualität), Anteile an kollektiven Kapitalanlagen, strukturierte Produkte, Derivate, Einlagen, deren Rückzahlungswert oder Zins risiko- oder kursabhängig ist, sowie Anleihensobligationen (Art. 3 lit. a FIDLEG).

    Als «Privatkunden» gelten alle Kunden, welche keine professionellen bzw. institutionellen Kunden sind (Art. 4 Abs. 2 FIDLEG; vgl. «Was sind Privatkunden?»).

  • Wann muss ausnahmsweise kein Basisinformationsblatt (BIB) erstellt werden?

    Kein BIB muss erstellt werden für Aktien und diesen gleichzustellende Instrumente wie Partizipations- und Genussscheine, für Forderungspapiere ohne derivativen Charakter (Art. 59 Abs. 1 FIDLEG) sowie für Finanzinstrumente, die für Privatkunden ausschliesslich im Rahmen eines Vermögensverwaltungsvertrags erworben werden dürfen (Art. 58 Abs. 2 FIDLEG). Letztere Ausnahme stellt eine Erleichterung für Finanzinstrumente dar, welche ausschliesslich Vermögensverwaltern für deren Kunden angeboten werden und sich nicht direkt an den Kunden richten.

    Dokumente nach ausländischem Recht, die dem BIB gleichwertig sind, können anstelle eines BIB verwendet werden (Art. 59 Abs. 2 FIDLEG), wobei auch diese in einer Schweizer Amtssprache, in Englisch oder in der Korrespondenzsprache des Kunden verfasst sein müssen (vgl. «Welche Anforderungen stellt das FIDLEG an das Basisinformationsblatt (BIB)?»).

  • Warum besteht zusätzlich zur Prospektpflicht auch noch eine Pflicht zur Erstellung eines Basisinformationsblatts (BIB)?

    Auch wenn für ein Finanzinstrument ein Prospekt erstellt wurde, orientieren sich die Privatkunden regelmässig nicht daran, sondern an sonstigen Informationen, welche vom Anbieter oder vom Ersteller zur Verfügung gestellt werden. Das BIB enthält die Angaben, die wesentlich sind, damit die Anleger eine fundierte Anlageentscheidung treffen können, und soll den Vergleich von unterschiedlichen Finanzinstrumente erleichtern (Art. 60 Abs. 1 FIDLEG).

  • Welche Anforderungen stellt das FIDLEG an das Basisinformationsblatt (BIB)?

    Das BIB muss ein eigenständiges Dokument und leicht verständlich sein (Art. 61 FIDLEG). Die allgemeinen inhaltlichen Grundsätze sind in Art. 60 Abs. 2 FIDLEG geregelt, und die Einzelheiten werden in der Verordnung konkretisiert (vgl. Art. 88 ff. FIDLEV). Das BIB ist in einer Schweizer Amtssprache, in Englisch oder in der Korrespondenzsprache des Kunden zu verfassen. Bei Kollektivanlagen muss das BIB zumindest in einer Amtssprache oder in Englisch verfasst sein (Art. 89 Abs. 2 FILDEV).

  • Wann und wie muss das Basisinformationsblatt (BIB) den Privatkunden zur Verfügung gestellt werden?

    Das BIB muss Privatkunden bei der persönlichen Empfehlung von Finanzinstrumenten und grundsätzlich vor der Zeichnung oder vor dem Vertragsabschluss kostenlos zur Verfügung gestellt werden (Art. 8 Abs. 3 FIDLEG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 FIDLEG). Bei Execution-only-Dienstleistungen muss der Kunde nicht mittels des BIB informiert werden, ausser wenn ein solches für ein Finanzinstrument bereits vorhanden ist, d.h. vom Finanzdienstleister mit verhältnismässigem Aufwand gefunden werden kann (Art. 8 Abs. 4 FIDLEG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 FIDLEV). Auch im Rahmen von diskretionären Vermögensverwaltungsverträgen ist die Aushändigung eines BIB nicht erforderlich.

Veröffentlichung von Prospekt und Basisinformationsblatt (BIB)
Konsequenzen bei Verletzungen des FIDLEG Prospektrechts
  • Welches sind die rechtlichen Konsequenzen bei einer Verletzung der FIDLEG-Prospektpflichten?

    Bei einer Verletzung der FIDLEG-Bestimmungen über die Prospektpflicht durch Personen, welche der Finanzmarktaufsicht nach Art. 3 FINMAG unterstehen, kann die Aufsichtsbehörde die ihr zur Verfügung stehenden Aufsichtsinstrumente nach Art. 24 ff. FINMAG ergreifen (Art. 87 Abs. 2 FIDLEG). Werden die Bestimmungen durch eine Person verletzt, die nicht beaufsichtigt ist und auch nicht für einen Beaufsichtigten tätig ist, enthält das FIDLEG bei einer vorsätzlichen Verletzung Strafnormen (vgl. Art. 90 FIDLEG).

    Sodann sieht Art. 69 FIDLEG eine privatrechtliche Haftung vor, welche Art. 752 OR ablöst: Derjenige, der in Prospekten, Basisinformationsblättern oder in ähnlichen Mitteilungen unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben macht, ohne dabei die erforderliche Sorgfalt anzuwenden, haftet der Erwerberin eines Finanzinstruments für den dadurch verursachten Schaden (Art. 69 Abs. 1 FIDLEG). Diese Haftung greift auch bei leichter Fahrlässigkeit.

    Wer falsche oder irreführende Angaben über wesentliche Perspektiven macht, haftet hingegen nur, wenn die Angaben wider besseres Wissen oder ohne Hinweis auf die Ungewissheit zukünftiger Entwicklungen gemacht oder verbreitet werden (Art. 69 Abs. 3 FIDLEG).

Übergangsrecht

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